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Volle Kraft leben

Wir unterstützen Lebensfreude.

Dafür braucht es uns
die Rheumatolog:innen.

Lynne, 26 Jahre, Ninja Warrior und Medizinstudierende
Ankylosierende Spondylitis

Powerfrau mit Botschaft

Eine meterhohe, zum Ende senkrechte Wand hochrennen, auf wackligen Pollern über ein Wasserbecken balancieren, sich an einer Art Sprossenleiter mit enormen Griffabständen aufwärts hangeln, ein 22 Meter langes Seil hochklettern – es ist wirklich atemberaubend, welche athletischen und akrobatischen Leistungen die Sportlerinnen und Sportler bei „Ninja Warrior“ vollbringen. Wenn Lynne über die Fernsehshow spricht, klingt neben Begeisterung aber auch eine Portion Enttäuschung durch. 2020 hat die 26-Jährige gemeinsam mit ihrem Freund an der fünften Staffel des Formats teilgenommen, setzte sich in der Vorausscheidung gegen 13.000 MitbewerberInnen durch, schied dann aber in der ersten Runde aus. „All die Kameras, zu wissen, dass ich im Fernsehen bin – da war ich plötzlich so unglaublich nervös, dass ich nichts mehr auf die Reihe gekriegt habe“, erinnert sie sich. „Rein körperlich hätte ich das auf jeden Fall schaffen können.“

In Deutschland leben 1,8 Millionen Erwachsene und 20.000 Jugendliche und Kinder mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung. Zählen wir Menschen mit „muskuloskelettalen“ Erkrankungen, die vor allem Muskeln, Knochen, Sehnen und Gelenke betreffen hinzu, wächst die Gesamtzahl sogar auf ca. 17 Millionen.

Moderne Therapien wirken fast immer. Ein „normales“ Leben ohne Schmerzen ist möglich. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Denn die aktuelle Versorgung der Betroffenen geht am tatsächlichen Bedarf vorbei.

Wir müssen die Verorgung von Rheuma-Patient:innen sichern. Dafür werden kurzfristig ca. 750 Rheumatolog:innen zusätzlich benötigt. Dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, ist eine Aufgabe von Politik und Gesundheitswesen.

Lynne ist eine echte Powerfrau. Sie genießt und meistert Ihr Leben mit einer rheumatologischen Erkrankung. Leben Sie auch mit einer rheumatologischen Erkrankung? Dann teilen Sie Ihre persönliche Geschichte und tauschen Sie sich mit anderen Rheuma-Erkrankten auf unserer Facebookseite für Betroffene aus.

Sie möchten sich als Rheumapatient:in ebenfalls für eine bessere rheumatologische Versorgung einsetzen?

Gemeinsam mit Ihnen können wir auf die Missstände in der rheumatologischen Versorgung aufmerksam machen.
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Machen Sie mit!

Deutlich zu machen, dass ihr bei „Ninja Warrior“ der Kopf und nicht die Physis im Wege stand, ist Lynne deshalb so wichtig, weil bei ihr vor gut sechs Jahren Morbus Bechterew diagnostiziert wurde.

„Ich möchte anderen Betroffenen zeigen, was trotz Bechterew alles möglich ist – insbesondere im Hinblick auf Sport.“ Dazu ist die 26-Jährige in den sozialen Medien sehr aktiv und postet auf Instagram für eine stetig wachsende Zahl von Followern regelmäßig Bilder von ihrer größten sportlichen Leidenschaft, dem Klettern und Bouldern.

Allein in Deutschland leiden rund 350.000 Menschen an der zum rheumatischen Formenkreis gehörenden chronischen Erkrankung, die üblicherweise in Schüben verläuft und mit wiederkehrenden Entzündungen der Gelenke einhergeht.

Vor allem betroffen ist beim Morbus Bechterew die Wirbelsäule, einschließlich der Verbindungsgelenke zum Becken. Die große Gefahr bei dem auch als Spondylitis ankylosans bezeichneten Leiden besteht darin, dass sich die entzündeten Wirbelsäulenbereiche im Laufe der Zeit verfestigen und verknöchern. Das führt dann zu Fehlstellungen und Bewegungseinschränkungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Zwar lässt sich die Erkrankung noch immer nicht ursächlich heilen, doch die Therapie hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Mit neuartigen Medikamenten wie den Biologika, die gezielt in den Entzündungsprozess eingreifen, können die Beschwerden heute deutlich gelindert und irreparable Folgeerscheinungen meistens verhindert werden. Entscheidend dabei ist, dass die Behandlung rechtzeitig eingeleitet wird.

Im Regelfall macht sich die Spondylitis ankylosans zwischen dem 15. und dem 30. Lebensjahr erstmals bemerkbar – oft weil die Betroffenen nachts wegen heftiger Rückenschmerzen aufwachen.

Lynne hatte zuerst Knieprobleme, wenig später kamen dann auch Schmerzen um unteren Rücken hinzu. 16 war sie damals, doch bis die richtige Diagnose gestellt wurde, vergingen noch vier Jahre. Mehrmals war Sportskanone Lynne, seinerzeit erfolgreiche Judoka und Fußballerin, bei Ärzt:innen unterschiedlicher Fachgebiete – und bekam immer wieder die gleichen Erklärungen zu hören: das kommt vom Wachsen, es liegt am vielen Sport. Weil ihre Beschwerden spätestens nach ein paar Wochen wieder abklangen, gab sie sich damit zunächst zufrieden. Mit 19 hielten die Schmerzen dann immer länger an und wurden so schlimm, dass die gebürtige Bonnerin sich zeitweise nur mit Krücken fortbewegen konnte.

Schließlich kam dann ihr Hausarzt auf die richtige Spur, schickte sie während eines Krankheitsschubs zum Rheumatologen, der dann mittels Gelenkultraschalluntersuchung den Verdacht auf Morbus Bechterew bestätigte. Lynnes erste Reaktion: Erleichterung. „Ich war einfach nur froh, endlich zu wissen, was mit mir los ist“, berichtet sie.

„Damit, was das für meine Zukunft bedeuten könnte, habe ich mich zunächst gar nicht beschäftigt.“

Einige Monate nach der Diagnosestellung hatte die damals 20-Jährige dann emotional aber doch mit dieser zu kämpfen. Ein Grund war ihr damaliger Lieblingssport Judo. Als „generell eher leistungsorientierter Mensch“ wollte Lynne an Wettkämpfen teilnehmen und auch gewinnen, stieß dabei aber an Grenzen, weil sie wegen der Schmerzen gefühlt alle zwei Wochen das Training pausieren musste. Letztendlich musste sie den Sport sogar ganz aufgeben, denn das Werfen und insbesondere Fallen hat der krankheitsbelastete Rücken nicht mehr gut ertragen können. 

Doch es dauert nicht lange, bis ihr Kämpferherz wieder die Oberhand gewinnt.

„Es mag pathetisch klingen, aber wir haben nur ein Leben und ich habe definitiv keine Lust, mich bei meinem Leben von der Erkrankung groß einschränken zu lassen.“

Lynne, die schon als kleines Mädchen Ärztin werden wollte, absolviert zunächst ein freiwilliges soziales Jahr im Krankenhaus und beginnt dann in Sofia ihr Medizinstudium. Zum letzten Semester bekam sie endlich den heiß ersehnten Studienplatz in Deutschland, für den es zunächst trotz Abitur-Notendurchschnitt von 1,9 nicht reichte. Seitdem ist Hamburg ihre neue Heimat – und auch ein neues Ventil für ihren sportlichen Ehrgeiz hat sie längst gefunden. Fünf Mal die Woche geht sie in die Kletterhalle zum Bouldern, ihr Ziel heißt Schwierigkeitsgrad 7 auf der Fb-Skala, die von 4 bis 9a reicht. Im Moment ist sie bei 6b, 6c.

Zu den 7ern ist schon nochmal ein Sprung, aber den will ich schaffen – und weit entfernt bin ich davon nicht mehr.“

Die topfit wirkende junge Frau räumt offen ein, dass der Bechterew es ihr schon etwas erschwert, dieses Ziel zu erreichen. Verglichen mit ihrem Freund und ihren anderen „gesunden Kletterleuten“ wird sie beim Training schneller müde. Und seit Lynne mit Biologika behandelt wird, sind die Krankheitsschübe zwar seltener und kürzer geworden, ganz aus bleiben sie jedoch nicht. Immer wieder gibt es zwei, drei Wochen oder auch nur einzelne Tage, an denen sie mit dem Bouldern pausieren muss. Langsamer voranzukommen als ihre Mitstreiter, weil sie weniger intensiv oder gar nicht trainieren kann, frustriert Lynne mitunter schon. Auf der anderen Seite hat sie dann Zeit, auf Instagram Fotos von ihren sportlichen Aktivitäten zu posten und mit anderen Bechterew-Patienten zu kommunizieren. Dort trifft sie zum einen auf sehr viel Unwissen bezüglich der Erkrankung, zum anderen auf ein gehöriges Maß an Verzweiflung. Viele der eher jüngeren Betroffenen würden ihr schreiben, wenn sie gerade einen akuten Schub haben und in einem Tief sind.

„Was ich mache, was sie von mir sehen können, soll anderen Kranken Zuversicht, neuen Mut und den Ansporn geben, sich nicht von der Erkrankung unterkriegen zu lassen. Ich will ihnen zeigen, schaut – es geht, kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.“

Diese „Message“ möglichst vielen Bechterew-Patienten zu vermitteln, hat für sie weitaus mehr Bedeutung als ein Sieg bei „Ninja Warrior“. Die Fernsehshow ganz abgehakt hat sie aber keineswegs.

„Wenn ich meinen Kopf besser unter Kontrolle bekommen habe, möchte nochmal teilnehmen – und mindestens bis ins Halbfinale kommen.“

Die Zuversicht ihrer Stimme lässt kaum Zweifel, dass Lynne auch das schaffen wird.